Aconcagua 6950m - Berg der Stürme
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Von Fritz Diermeier

Am Abend des 29. Januar 1979 sitzen mein Freund Hans und ich im Zug München - Basel. Nach viel Berglauf-Training, immer höheren Bergtouren, zuletzt dem Demawend in Persien und einer eingehenden ärztlichen Untersuchung sind wir jetzt auf der Anreise zu einem gewaltigen Massiv, dessen höchster Gipfel der Cumbre Norte del Cerro Aconcagua ist. Dieser Punkt, 6959m hoch, ist die höchste Stelle des amerikanischen Kontinents. Es trennen uns eigentlich nur noch eine Nacht Bahnfahrt und etwa 15 Std. Flug nach Lima. Dort verbringen wir 2 Tage, dann geht's in zwei Abschnitten in knapp 6 Std. über Santiago de Chile nach Mendoza, Argentinien. Am folgenden Tag durchlaufen wir das Genehmigungsverfahren nach Anleitung des allseits bekannten Sr. Luis Alberto Parra: Feuerwehr, Polizei, Arzt und zurück. Endlich ist der Weg frei. Am nächsten Tag kommen wir nach 6 Std. Busfahrt zum Ausgangspunkt 'Puente del Inka'. Dort erhalten wir nach Abgabe der Pässe vom diensthabenden Major die letztendliche Genehmigung zum Aufstieg. Als ersten Eindruck, der uns die Ernsthaftigkeit unseres Unternehmens bewusst werden lässt, werden wir gleich noch Zeugen der Hubschrauberrettung eines höhenkranken Österreichers. Noch am Nachmittag schleppen wir unsere 30kg-Rucksäcke das Tal des eiskalten Horcones hinauf, den wir dann auch gleich bis zum Bauch im Wasser durchwaten müssen. Am Abend dann das erste Zeltlager inmitten stacheliger Büsche. Der nächste Tag bringt eine sehr lange und leicht ansteigende Wanderung. 10 Stunden gehen wir durch wüstenähnliches Gelände mit ausgeblichenen Skeletten von Mulis, schleppen unser Gepäck durch sumpfige Gegenden und durchwaten eisige Bäche. Sehr erschöpft erreichen wir die Hütte des Ejecitio des los Andes. Hier lernen wir auch einige Österreicher kennen, u.a. Leo Schlömmer, Everst-Besteiger 1971, sowie einen Bergwachtler, der leider von dieser Tour nicht zurückkommen wird. Wir jedoch wollen noch weiter zum Basislager Plaza de Mulas, noch 2 Std. Aufstieg bis auf 4200m. Endlich können wir im Schutz eines Steinwalls unser Basislager einrichten. An diesem Abend laden wir auch noch einen Spanier zum Essen ein, der ein paar Jahre zuvor bis über 6000m Höhe den Aconcagua-Anstieg mit einer Geländemaschine bewältigte, dann aber den Gipfel nicht erreichte. 3 Tage halten wir das Basislager, wobei wir zweimal bis zum nächsten Punkt, einem verfallenen Holzverschlag 'Antartida' auf 5000m aufsteigen und einmal ein nahe dem Basislager gelegenes Büßerschneefeld besuchen. Das Wetter wird immer schlechter und es fällt viel Schnee. Am 4. Tag packen wir zusammen und steigen trotzdem weiter auf. Doch nach 300 Höhenmetern ist Schluss. Es liegt zuviel Schnee und die Gefahr, hängen zu bleiben, ist zu groß. Wir kehren um und steigen ab. Nachdem wir unser Zelt aufgebaut haben, steigen wir noch weiter hinunter bis zur Militärhütte. Hier können wir mit 'Überbleibseln' von anderen Bergsteigern unsere schon stark geschrumpften Vorräte etwas aufbessern. Am nächsten Morgen packen wir wieder und steigen trotz Sturm in 5 Std. auf. Das Zelt muss mit Reepschnüren an losen Steinen verankert werden. Ein herrliches Abendrot und ein strahlender Mond leiten eine fürchterliche Sturmnacht ein. Fast die ganze Nacht sitzen wir im nur halbhoch aufgebauten Zelt und halten die Zeltstange fest. Nach Bildern in der Beschreibung suchen wir uns am nächsten Tag den Weg zu den drei Biwakschachteln: Berlin, Plantamura und Libertad. Durch tiefen Neuschnee stapfen wir zu den etwa 6000m hoch gelegenen Holzverschlägen. Bis auf die Libertad sind die Hütten bewohnbar und wir quartieren uns, da wir die freie Wahl haben, in die 'Berlin' ein. Schon am folgenden Tag können wir bei einem Traumwetter probeweise die 500 Höhenmeter bis zur nächsten Stelle, der stark beschädigten Biwakhütte 'Independencia' in 2 Std. hinter uns bringen. Doch ein zweiter Versuch am Tag danach bringt uns wieder auf den Teppich zurück. Wir müssen schon nach 250 Höhenmetern umkehren. Ein weiterer Bergsteiger ist im Lager eingetroffen. Die Nächte sind eisig kalt. Wie wir später erfahren, hat das Thermometer ca. -40° C erreicht. Am nächsten Morgen wollen wir hinauf. Um 3 Uhr morgens gibt es lauwarme Haferflocken. Um 3.30 Uhr verlassen wir in absoluter Dunkelheit das Lager. Gegen Morgen erreicht die Kälte ihren Tiefstpunkt. Nach 3 Std. kommen wir wieder zur 'Independencia'. Dort wärmen wir uns zunächst im Schlafsack auf. Das Anfassen des Alubesteckes hinterläßt Blasen. Wir kochen Tee. Dann müssen wir weiter. Es folgt ein steiler Hang mit gefrorenem Schnee. Wir haben Probleme mit der Luft. Auch die Füße bereiten uns Sorgen. Wir müssen sie gegenseitig unter den Daunenjacken aufwärmen. Der folgende Weg, die 'Canaletta', ist ein bis zu 45° steiler Schlauch aus Geröll und Neuschnee. Die Gehintervalle werden kürzer. Waren es gerade noch 10 Schritte bis zur Pause, so sind es jetzt nur noch 5 und dann nur noch 3.... Dann erreichen wir eine letzte Felsstufe, lassen hier das Gepäck zurück und endlich um 14.30 Uhr, am Nachmittag des 13.2.1979 erreichen wir das Gipfelplateau des 'CUMBRE NORTE DEL CERRO ACONCAGUA'. Ein Kreuz aus Metallrohren kennzeichnet den höchsten Punkt Amerikas. Wir fotografieren uns gegenseitig zusammen mit unseren kleinen bayerischen Flaggen. Wir sind sehr glücklich, dass wir es beide geschafft haben, den Gipfel zu erreichen. Doch es ist sehr kalt und nachdem wir etwas in die Südwand geschaut haben, steigen wir nach etwa 1 Std. auf rund 7000m wieder ab. Nur 4 Std. später stehen wir wieder an der Hütte. Inzwischen haben sich 4 Bergsteiger in der Biwackschachtel einquartiert. Doch auch für uns ist noch Platz und durch die Enge wird es wärmer. Am nächsten Mittag steigen wir ab und kommen bis 21 Uhr gut voran. Vorbei an den Aufstiegsstationen 'Antartida' und 'Plaza de Mulas' kommen wir im ständig stärker werdenden Schneefall noch ca. 10 km weit hinaus. Noch einmal zeigt uns der Wind seine Stärke und reißt die Zeltbefestigungen los. Doch auch diese Nacht geht vorbei und der nächste Tag führt uns hinunter bis auf eine einfache Sandstraße, wo uns ein deutsches Paar erst spanisch begrüßt, uns aber dann sogar noch die letzten Kilometer bis Puente del Inca in ihrem VW-Bus mitnimmt. So können wir noch am Nachmittag mit dem Bus nach Mendoza fahren. Das dort stattfindende abendliche Gelage ist unbeschreiblich. Doch wir müssen noch tagelang viel essen, um wieder ein paar Kilo zuzunehmen. Ein großartiges Abenteuer hat für uns beide ein glückliches Ende gefunden. Die anschließende Woche in Rio beim Karneval wäre ein eigenes Thema ......!

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